USA: Geldpolitik - Die Tür für Zinssenkungen geht etwas weiter auf - Nord LB
In der Jobbeschreibung von amtierenden Fed-Präsidenten findet sich neben einem breiten Spektrum an Tätigkeiten auch eine vierteljährlich stattfindende Anhörung vor Ausschüssen des Senats und Kongresses, bei dem Rede und Antwort zur aktuellen Geldpolitik gestanden werden muss. Gestern hatten die Senatoren vom Capitol Hill die Möglichkeit Fragen mit Jerome Powell zu erörtern. Heutige Fed-Beobachter müssen sich nicht mehr an Prognosen versuchen, die auf der Dicke von Aktentaschen basieren, wie es seinerzeit bei Alan Greenspan hin und wieder der Fall war. Teilweise künstlich aufgebläht, war die Aussagekraft dieses „Greenspan Briefcase Indicators“ ohnehin sehr begrenzt. Die Aussagen von Powell lieferten allerdings auch kaum belastbare Anhaltspunkte für die kurzfristige Zukunft. Vor allem hat er wiederholt ausgeschlossen sich auf ein Timing von Zinssenkungen „festnageln“ zu lassen.
Es ist berechtigt anzunehmen, dass Kommunikationsstrategien voriger Notenbankpräsidenten Einzug in das Arsenal der Fed Einzug gehalten haben und auch heute noch genutzt werden. Für Greenspan galt zum Beispiel, dass Markteingriffe auch einen gewissen Überraschungseffekt mitbringen müssen, um geldpolitische Impulse setzen zu können. Diesen dynamischen Effekt könnte sich das aktuelle FOMC ebenfalls zunutze machen wollen. Einerseits avisieren die Mitglieder mit den Plots (im Schnitt) nur eine Zinssenkung in diesem Jahr. Wenn sich die Wirtschaft aber schlechter entwickelt als erwartet, kann das Gremium mit einer beherzten „überraschenden“ zweiten Zinssenkung einen Impuls liefern, welcher mit Sicherheit anregend auf die Konjunktur wirken würde.
Die Inflation dürfte dabei nicht als der Haupttreiber von Zinssenkungen gelten. Da sie zuletzt hartnäckiger war als erhofft, wird man trotz sich abschwächender Tendenzen nicht ohne Not an der Zinsschraube drehen – zu groß ist die Sorge vor einem Rückprall. Darauf wies Powell auch bei der Anhörung im Kongress erneut hin, wenngleich er anerkannte, dass sich die Balance aus Inflation und Aufwärtsrisiken zuletzt verbesserten. Senkungsdruck dürfte aber vor allem vom Arbeitsmarkt kommen. Zwar lasen sich die jüngsten Daten im Juni zunächst positiv. Werden die zuletzt regelmäßig schwächeren Revisionen berücksichtigt und ein genauerer Blick auf die Daten geworfen, dann offenbaren sich jedoch nicht zu vernachlässigende Schwächen. Sen. John Kennedy griff dies auf und merkte bspw. kritisch an, dass die meisten neuen Jobs von Staat und Gesundheitswesen geschaffen wurden und nicht aus der freien Wirtschaft kommen. Powell konzedierte eine Abkühlung in der Breite des Arbeitsmarktes und dass Druck für die Inflation aus dieser Richtung derzeit nicht besteht – ein Indiz für wahrscheinlichere Zinssenkungen.
Einigen Senatoren war es auch wichtig regelrecht krisengeplagte und zinssensitive Wirtschaftsbereiche in den Fokus zu rücken. Insbesondere die Probleme auf dem Immobilienmarkt wurden von gleich mehreren Senatoren angesprochen und lenkten das Augenmerk dabei auf die finanziellen Einbußen der Haushalte und auf die nach wie vor anhaltende Krisensituation bei einigen Regionalbanken. Auch der möglicherweise schleppende Prozess bei der Implementierung regulatorischer Neuerungen wurde negativ angemerkt – wobei Sen. Warrens Anmerkungen in einen regelrechten „Roast“ mündeten. Bei den Repräsentanten im Haus dürfte es heute in der Breite ähnlich unangenehm für Powell werden!
Fazit: Powells erste von zwei Anhörungen fand gestern vor dem Senat statt, wobei nur wenige Implikationen für die nähere Zinspolitik herauszuhören waren. Bei diesem vierteljährlich stattfindenden Termin wollten die Senatoren u.a. wissen, welche Auswirkungen die Inflation, der sich abkühlende Arbeitsmarkt aber auch Themen rund um Regulatorik und Staatsverschuldung auf die Geldpolitik der Fed haben. Zwar wich er jenen Fragen aus, welche nicht im Mandat der Notenbank liegen, aber gerade die Diskussionen rund um den Arbeitsmarkt scheinen die Tür für Zinssenkungen etwas weiter zu öffnen. Die sich abkühlenden Entwicklungen üben kaum noch Inflationsdruck aus und liefern eher Druck für eine (zusätzliche) Verringerung der Fed Funds Target Rate. Einige wenige Senatoren nutzten auch die Gelegenheit Powell zu „roasten“ – was beim zweiten für heute angesetzten Termin vor dem Repräsentantenhaus zum Standardrepertoire gehören dürfte.
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