USA: Geldpolitik - Staatsschulden erzeugen Druck - Nord LB
Bei den gestern veröffentlichten Sitzungsprotokollen des FOMC schauten viele Marktbeobachter sicher genau hin, um Rückschlüsse für die künftige Festsetzung der Fed Funds Target Rate zu erhalten. Beliebt sind dabei vor allem auch die Projektionen zu den wichtigsten makroökonomischen Daten und die Dot Plots, welche zwar immer nur bei jeder zweiten Sitzung aktualisiert werden, was nun aber der Fall war. Aus den Dot Plots ließ sich nichts Neues mehr herauslesen, denn Jerome Powell hat bei seiner Pressekonferenz bereits mitgeteilt, dass bis zum Ende des Jahres mit nur noch einer Zinssenkung i.H.v. 25 Basispunkten gerechnet wird. Diese Aussage darf man aber in der Tat nicht für „bare Münze“ nehmen, denn diese Projektionen stellen auch immer einen Kommunikationskanal dar, um Erwartungen in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Zwar zeigen sich einige der Notenbanker nur milde taubenhaft, dürften sich damit aber auch ein gewisses Überraschungsmoment offenhalten wollen. Es ist ein schmaler diplomatischer Grat, auf dem das FOMC rund um Powell wandelt, und man möchte sicherlich nicht erneut zu viele Zinssenkungen in Aussicht stellen, wie es Ende 2023 der Fall war und so bekanntlich nie eingetreten ist.
Am wahrscheinlichsten sind unserer Auffassung nach weiterhin zwei Zinssenkungen bis Ende 2024. Es gibt für verschiedene potenzielle Strategien der Fed mitunter gute Gründe, wobei die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung jetzt vor allem eine Hands-On Politik erfordert und einen gewissen Interventionsdruck hervorruft. Zwar entwickelt sich die Preisniveaustabilität in Sinne des FOMC – wenn auch schleppender als erhofft. Dies ruft auch einige Senatoren auf den Plan, welche sich jüngst zur Inflation äußerten und Powell in einem offenen Brief aufforderten die Zinsen zu senken. Das Problem sei die hohe Fed Funds Target Rate, welche ihrerseits (paradoxerweise) die hohe Inflation durch gestiegene Shelter- und Versicherungskosten oben halte, so die Politiker vom Capitol Hill.
Aber vor allem die Abkühlungstendenzen auf dem Arbeitsmarkt gepaart mit sich anbahnenden Problemen bei den Staatsschulden bedürfen wohl mehr und mehr der Steuerungsaktivitäten der US-Notenbank. Besonders letzterer Punkt wird zunehmend heikler und Powell selbst sieht dies zunehmend mit Sorge. Auf dem diese Woche stattfindenden „EZB Forum on Central Banking“ im portugiesischen Sintra gab er dies auch kritisch zu bedenken. Die USA sei demnach auf einem untragbaren Pfad der Staatsverschuldung – eine vorsichtige Vorbereitung auf potenzielle Zinssenkungen könne davon die Folge sein. Indem Powell dieses Problem verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung rückt, verschafft er sich somit bereits jetzt eine gute Rechtfertigung, sollten die Leitzinsen trotz einer weiterhin erhöhten Inflation gesenkt werden.
Dass die Wirtschaft generell Probleme aufweist, zeigen auch die beiden wichtigen Einkaufsmanagerindizes der Produzenten und Dienstleister, welche in dieser Woche ebenfalls veröffentlicht wurden. Mit dem Indikator der Produzenten, der mittlerweile notorisch kontraktiv notiert, und nun auch dem Services PMI, welcher den tiefsten Stand seit Ausbruch der Covid-Pandemie ausweist, liefern gleich zwei Schwergewichte Hinweise darauf, dass das FOMC besser früher als spät handeln sollte.
Fazit: Das gestern veröffentlichte Sitzungsprotokoll des FOMC gibt nur wenige vorausschauende Einblicke in die Gestaltung der Zinspolitik mit Erkenntnisgewinn. Die Projektionen des Gremiums weisen im Schnitt nur noch eine Zinssenkung in diesem Jahr aus – soweit so bekannt. Als Kommunikationsmittel dürfen solche Äußerungen und Prognosen jedoch nicht über Gebühr ernst genommen werden, denn Powell hat dies in gewisser Weise bereits kassiert. Wir haben zuvor darauf hingewiesen, dass sich die Fed womöglich etwas an Überraschungspotenzial offen lassen möchte, um die Märkte positiv zu stimulieren. Nach seiner jüngsten Rede in Sintra scheint die Staatsschuldenkrise mittlerweile aber so drängend, dass nun doch lauter über Zinssenkungen nachgedacht wird, um die Wirtschaft nicht ganz zu „verlieren“. Vielen Unternehmen ist allein das Gerede um die Inflation bereits zu viel – und das sollte die Fed aufhorchen lassen.
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