Commerzbank: Zwei Leitzinsanhebungen für 2016 bleiben wahrscheinlichstes US-Leitzinsszenario
Die Fed hat bei ihrer gestrigen FOMC-Sitzung wie erwartet den Leitzins bei 0,5% belassen. In der Pressemitteilung hieß es, die Besserungstendenz am Arbeitsmarkt habe sich anscheinend verlangsamt, die gesamtwirtschaftliche Aktivität, nicht zuletzt der private Verbrauch, habe angezogen. Die Bremseffekte vom Außenhandel ließen nach, während die Investitionstätigkeit noch immer schwach sei. Bei der Inflationseinschätzung blieben die Lagebeschreibung und Ausblick weitgehend unverändert; angesichts der Abweichung vom Inflationsziel werde man die Entwicklung besonders genau beobachten.
Weiter hieß es zum Ausblick: Man erwarte, dass sich die ökonomischen Rahmendaten in einer Weise entwickeln, die lediglich eine graduelle Anhebung der Fed Funds Rate angezeigt sein lasse; außerdem gehe man davon aus, dass der Leitzins noch länger unter dem Niveau bleiben werde, das man langfristig für angemessen halte. Der Leitzinspfad hänge von der weiteren Datenentwicklung ab, wobei man ein breites Spektrum im Auge habe: Den Arbeitsmarkt, die Preisentwicklung, die Finanzmarktbedingungen und internationale Tendenzen.
In der Pressekonferenz machte die Fed-Chefin klar, dass die Fed nicht nur wegen der schwachen Arbeitsmarktdaten im Mai, sondern auch wegen potenzieller Spannungen an den Finanzmärkten im Falle eines Austritts Großbritanniens aus der EU (Referendum am kommenden Donnerstag) nochmals abgewartet hat. Doch wurde auch deutlich: Bleiben die Briten in der EU, beruhigen sich die Märkte und erweisen sich die jüngsten Arbeitsmarktdaten als „Ausreißer“ – was die Fed für wahrscheinlich hält – dann steht der nächsten Anhebung nichts im Wege. Die Leitzinsprojektionen der einzelnen FOMC-Mitglieder implizieren jedenfalls für dieses Jahr noch zwei Anhebungen um jeweils 25 Basispunkte. Dies deckt sich mit unseren Erwartungen.
Zinsen und Anleihen
Großbritannien: Zinsentscheid der BoE, 13:00 Uhr
USA: Erstanträge Arbeitslosenhilfe, 14:30 Uhr
USA: Verbraucherpreise (Mai), 14:30 Uhr
USA: NAHB-Immobilienstimmung (Juni), 16:00 Uhr
Die im Vorfeld des EU-Referendums in Großbritannien „Bre-xit“ (23. Juni) herrschende Risikoaversion unter den Anlegern hat gestern etwas nachgelassen. Davon profitierten riskantere Assets, die als sicher geltenden Bundesanleihen gaben dagegen leicht nach. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen konnte sich wieder aus dem negativen Bereich herausarbeiten; am späten Nachmittag unterschritt sie jedoch wieder die 0%-Marke. Bei der Auktion 10-jähriger Bundesanleihen wurde eine rekordtiefe Durchschnittsrendite von 0,01% erzielt. Die in den vergangenen Tagen unter Druck gekommenen Staatsanleihen der EWU-Peripherie konnten sich gestern erholen; dort gingen die Renditen überwiegend zurück. Die Preisdaten für die USA weisen nach oben. Die Erzeuger-preise stiegen im Mai um 0,4% M/M deutlicher als angenommen an. Der Vorjahresabstand blieb aber noch bei minus 0,1% J/J. Schon am Dienstag wurde ein kräftiger Anstieg der Importpreise gemeldet. Heute stehen die US-Verbraucher-preise für Mai auf dem Programm. Negativ überrascht die US-Industrieproduktion, die im Mai um 0,4% M/M zurückging. Dabei stieg die Produktion im Bergbau wohl wegen der gestiegenen Ölpreise erstmals seit August wieder leicht an, wenn auch nur sehr moderat (+0,2% M/M). Die Öl- und Gasexploration ging jedoch weiterhin zurück. Die US-Notenbank ließ wie erwartet ihren Leitzins unverändert. Fed-Chefin Yellen hielt zwar daran fest, dass graduelle Zinserhöhungen angezeigt seien, betonte aber auch, dass das EU-Referendum bei der Entscheidung eine Rolle gespielt habe; ein Brexit stelle eine Gefahr für die Weltwirtschaft und Finanzmärkte dar. Die Marktteilnehmer rechnen nun kaum noch mit einer Zinserhöhung im Juli (siehe im Blickpunkt).
Aktien
Oracle, Ergebnis Q4
Nach der jüngsten, durch steigende „Brexit“-Ängste ausgelösten Talfahrt gelang es den europäischen Aktienbörsen zur Wochenmitte einen Erholungstag einzulegen. Im Vorfeld der US-Notenbanksitzung sorgten Schnäppchenjäger für leicht steigende Kurse. Allerdings konnten die zuvor stärkeren Gewinne im späten Geschäft nicht gehalten werden. Im Dax 30 waren neben den Aktien von BASF (+2,3%) vor allem die Versorgertitel E.ON (+2,6%) und RWE (+2,1%) gesucht. Im MDax avancierte Wacker Chemie (+4,4%) nach einer Kaufempfehlung einer Privatbank zum stärksten Einzeltitel. Kuka (+3,5%) profitierte von einem Presseartikel, demzufolge der chinesische Bieter Midea Konkurrenz durch den Schweizer Industriekonzern ABB bekommen könnte. Im EUROSTOXX 50 konnten bis auf Finanzdienstleister (-0,1%) alle Branchen zulegen. Besonders stark entwickelten sich dabei die zuletzt unter Druck geratenen Grundstoffe (+2,1%). Banken (+1,2%) konnten zwar zunächst überdurchschnittlich zulegen, aber besonders hier trübte sich die Stimmung im Handelsverlauf wieder ein. Stärkste Einzeltitel im Leitindex des Euroraum waren waren nach der Vorlage von überzeugenden Quartalsdaten die Aktien des spanischen Textilunternehmens Inditex (+5,5%). An der Wall Street reagierten die Indizes auf die Aussagen von US-Notenbankchefin Yellen zur künftigen Geldpolitik der Fed und zum aktuellen Wirtschaftswachstum leicht negativ. Unter der Führung von Home Depot (+1%) konnten nur wenige Titel zulegen. Schwächer tendierten dagegen Intel (-1,7%) und nach der Streichung einer Kaufempfehlung der Netzwerkriese Cisco (-1,1%). An den asiatischen Märkten überwiegen heute Morgen die negativen Vorzeichen. Vor allem der japanische Nikkei 225 gerät angesichts eines starken Yen unter Druck. Mit diesen Vorgaben dürften auch die europäischen Börsen ihren Abwärtstrend nach dem nur kurzen Intermezzo wieder aufnehmen.